Tuina Anmo: Akupunktur mit den Händen
Mensch im Mittelpunkt
Tuina Anmo ist die Manualtherapie der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Die vier Silben Tui - Na - An - Mo definieren die vier wichtigsten Massagegriffe dieser einzigartigen Behandlungsform: TUI heißt schieben, NA greifen, AN steht für drücken und MO bedeutet kreisendes streichen.
Wie in der Akupunktur, dem wohl bekanntesten medizinischen Heilverfahren der TCM, arbeitet man im Tuina Anmo an den Meridianen. Die Akupunkturpunkte werden mit den Händen stimuliert, um den Körper bei äußeren und inneren Beschwerden aller Art zu unterstützen. Das heißt, Tuina Anmo wirkt begleitend und lindernd bei fast allen bekannten und auch neuen Erkrankungen (Long Covid, Fatigue Syndrom) bzw. in der Rekonvaleszenz und bei postoperativen Beschwerden durch fasziale Adhäsionen.
Der "Tuina Anmo Practitioner" - so die Berufsbezeichnung in Österreich - macht sich vor jeder Behandlung ein Bild darüber, wie es dem Gegenüber gerade geht und was therapeutisch zu tun ist. Nämlich anhand der Interpretation von Zunge, Puls und Körpermerkmalen (Haltung des Bewegungsapparats, Palpation des Gewebes und der Reflexzonen usw.), woraus sich eine Differenzialdiagnose nach TCM (Bian Zheng) ableiten lässt.
Selbstverständlich fließen aktuelle Beschwerden, Vorerkrankungen, Ernährungsgewohnheiten und die Lebensumstände in die Anamnese mit ein. Davon ausgehend wird ein individuelles Anwendungskonzept erstellt – die wahrscheinlich größte Stärke der TCM.
Die Ausführung am Bewegungsapparat erfolgt schließlich in oder gegen die Wirkrichtung des Qi in den Meridianen. Das heißt, entweder tonisierend oder sedierend. Und die Massagegriffe kommen großflächig oder lokal an Akupunkturpunkten oder Triggerpunkten, punktuell als auch reflektorisch zum Einsatz. Die Intensität variiert von sanft bis kräftig, stets dynamisch rhythmisch, teils mit hoher Frequenz aber immer an die jeweilige Konstitution und das Beschwerdebild der Person angepasst.
Die äußeren Schichten des Körpers, dazu zählen Haut, Muskulatur, Bänder, Sehnen und Faszien (TMM, tendinomuskuläre Meridiane), werden durchgängig gemacht und so der Bewegungsumfang von Gelenken verbessert. Und nachdem im Körper alles mit Allem über fasziale Strukturen in Verbindung steht (Meridiane), wirkt sich die Tuina-Massage energetisch auch auf innere Störungen aus. Denn die Leitfähigkeit für das “Qi” (sprich Tschi) wird wiederhergestellt. Qi, der chinesische Begriff für Lebensenergie, durchströmt unseren Körper wie Elektrizität und wirkt als zündender "Funke im System", so wie es der englische TCM-Arzt Dr. Daniel Keown in seinem gleichnamigen Buch treffend beschreibt. Das freie Fließen des Qi in den Meridianen gilt nämlich als Voraussetzung für Gesundheit und Vitalität.
Ähnlich wie bei Wind ist das Qi zwar nicht sichtbar, aber man spürt die Wirkung, wenn es in die falsche Richtung fließt (etwa bei Schluckauf), nicht genug davon vorhanden (Erschöpfung), stagniert (diffuser, wandernder Schmerz) oder blockiert ist (lokaler Schmerz). Unsere biologische Elektrizität treibt alle Zellfunktionen an und wo viel Qi ist, herrscht Lebendigkeit.
Warum wohl schlägt ein Herz? Und warum strahlen wir bis über beide Ohren, wenn wir glücklich sind? Die alten Chinesen gaben diesem inneren Leuchten den Namen "Shen".
TCM - empirische Heilkunst mit eigener Nomenklatur
Die Traditionelle Chinesische Medizin ist eine ganzheitliche Erfahrungsmedizin mit einer jahrtausendealten Geschichte. Sie hat ihren Ursprung im Daoismus (Laozi) und ist eine Schatzkiste für diejenigen, die sich ihr öffnen: Wir profitieren heute nicht nur vom Wissen über die Akupunktur und von den Kenntnissen zu Diätetik und Heilkräutern, sondern auch von der Volksmedizin (Gua Sha, Schröpfen, Moxen), den Kampfkünsten (Kung Fu, Tai Chi, Qi Gong) sowie dem Feng Shui (sprich Fong Shue), der Lehre über Harmonie. Die TCM versucht mithilfe ihres eigenen diagnostischen Systems (Bian Zheng) das energetische Gleichgewicht des Menschen in ihrer Gesamtheit wiederherzustellen. Ähnlich wie beim Mindmapping, hat man damit eine wunderbare Orientierungshilfe zur Hand, für das Verstehen der Zusammenhänge und für die einzusetzenden Techniken. Nicht die Krankheit steht im Fokus, sondern die Selbstregulation und die Gesundheit des Körpers.
Für mich liegt die Schönheit der TCM in ihrer Präzision durch Effizienz, Logik und ihrer didaktischen Stärke, komplizierte Vorgänge einfach erklären zu können. Beschwerden werden zunächst nach 8 therapeutischen Leitkriterien (Ba Gang) eingeteilt: Yin oder Yang, Innen oder Außen, Leere oder Fülle, Kälte oder Wärme. Die Kunst besteht darin, die wechselnde Dynamik zwischen den Phänomenen (5 Elemente, Wu Xing) zu erkennen und therapeutisch entsprechend einzugreifen. Bei uns im Westen wird diese Form der Vereinfachung oftmals als Esoterik missverstanden. Aber vielleicht liegt es nur daran, dass man in China "bildsprachlich" denkt und fühlt. Hingegen setzt die moderne westliche Medizin ausschließlich auf numerologische Ergebnisse und gewinnt ihre Kenntnisse aus evidenzbasierten Studien.
Antike Heilkunst für die Menschheit bewahrt
Eine kleiner Ausflug in die Geschichte: Tuina entwickelte sich aus dem Anmo, was so viel wie Massage bedeutet. Beide Begriffe werden im heutigen chinesischen Sprachgebrauch synonym verwendet. Der große Klassiker der Massage aus “Der Gelbe Kaiser”, dem Huang Di Nei Jing, ist leider unauffindbar und nur aus Zitaten anderer Autoren bekannt. Entstanden ist das berühmte Standardwerk wahrscheinlich zwischen 475 und 221 v. Chr., jedoch soll das Nei Jing bereits 2600 v. Chr. vom Kaiser Huang Di und seinen Beratern verfasst worden sein.
Sun Si-Miao, einer der bedeutendsten TCM-Ärzte überhaupt (581-682 n. Chr.) hinterließ der Nachwelt u.a. eine 30-bändige Abhandlung zur medizinischen Praxis seiner Zeit. Sein Werk “Rezepturen, die tausend Goldstücke wert sind” (Bei Ji Qian Jin Yao Fang, 652 n. Chr. publiziert) gilt als erste Enzyklopädie der Traditionellen Chinesischen Medizin. Es enthält nicht nur eine Sammlung aus 4500 Kräuterrezepturen, sondern auch Empfehlungen zur Behandlung von inneren und äußeren Erkrankungen, Schriften zur Frauen- und Kinderheilkunde, Pulsdiagnose, Akupunktur, Moxibustion, Ernährungslehre, Vergiftungslehre und Massage (Tuina). Von Sun Si-Miao ist etwa überliefert, was jeder Manualtherapeut als Triggerpunkt kennt: “Wenn der Behandler einen Punkt betastet und der Patient schreit A-H, so ist der Ah Shi-Punkt gefunden”.
Ganzheitliches Denken im therapeutischen Alltag
Im heutigen China wird TCM in Krankenhäusern gleichberechtigt neben der Schulmedizin angeboten. Sie wird im Ursprungsland im Rahmen eines mehrjährigen Studiums unterrichtet, die Auszubildenden werden in der klinischen Praxis von Professoren mit jahrzehntelanger Erfahrung angeleitet. Beide Welten stehen nicht in Konkurrenz, sondern ergänzen einander zum Wohle der Patienten. So gelingt in meinen Augen der Schulterschluss uralte Traditionen mit dem modernen Menschen und seinen aktuellen Beschwerden in Einklang zu bringen.
Was tue ich für Sie? Und was können Sie für sich selbst tun?
Als jahrtausendalte Manualtherapie der TCM, hilft Tuina Anmo vor allem bei Beschwerden am Bewegungsapparat. Vorbeugend und präventiv können Sie mit Tuina Anmo Ihren Körper aktiv unterstützen und Ihre Verspannungen, Bewegungseinschränkungen, Menstruationsbeschwerden, Verdauungsbeschwerden oder Schlafstörungen und vielen chronischen Erkrankungen positiv beeinflussen.
Ganzheitlich gedacht, nützen Sie doch die Erkenntnisse der modernen und traditionellen Medizinsysteme gleichermaßen zu Ihrem Besten. Und bitte denken Sie daran, Ihren Arzt zu konsultieren um ernsthafte Erkrankungen auszuschließen.
Mein erster Lehrer der östlichen Naturheilkunde, übrigens ein hervorragender Diagnostiker und nach alter Tradition auch Meister in der Kampfkunst mit hunderten Schülern, sagte immer: "Die TCM gibt dem Menschen die Verantwortung für seinen Körper wieder zurück".
In diesem Sinne lade ich Sie dazu ein, Methoden der TCM kennenzulernen, um für Ihr eigenes Wohlbefinden und Ihre Gesundheit selbst zu sorgen.